„my skates have been my passport to freedom „- Interview mit Doug Whitney, EHC Stuttgart

DougWhitney1969

Doug Whitney 1969 in Mannheim

Doug Whitney kam im September 1968 als 24jähriger US-Soldat nach Böblingen um seinen 20-monatigen Militärdienst abzuleisten. Der heute 71-Jährige war kurze Zeit später der erste Ausländer der ein Stuttgarter Trikot trug und spielte von 1968 bis 1970 als Stürmer zunächst noch beim SERC Stuttgart, der aber kurze Zeit später im EHC Stuttgart aufging.
Wir lernten uns nach dem Benefizspiel 2014 persönlich kennen, als er sich zu uns an den Tisch setzte und wir auf die ganz alten Eishockey-Zeiten mitsamt den Geschichten drumherum zu sprechen kamen.
In überaus humorvoller, begeistender und mitreissender Art erzählte er einige Geschichten aus jenen Tagen, die er selbst als die beste Zeit seines Lebens bezeichnete. Doug, der nach seiner Militärzeit im Oktober 1970 wieder in die USA zurückging, spricht übrigens heute noch hervorragend deutsch. Nur bei besonderen emotionalen Gegebenheiten rutscht er gelegentlich wieder in seine Muttersprache ab, was ihn aber nur noch sympathischer macht als er ohnehin schon ist.

Hi Doug, ich hoffe du hast etwas Zeit für ein Interview…
Hallochen Ralf, ja ich habe Zeit. Kein Problem. Frag mich was du willst !

Gibt es aus deiner Stuttgarter Eishockeyzeit eigentlich noch Bildmaterial ?
Ich habe gerade kein Foto außer im gelben EHC-Trikot zur Hand. Es tut mir leid! Es ist wirklich schade. Damals wenige Leute haben Fotos gemacht, nicht so wie heute. Ich habe ein paar als SERC, aber wo sind die, das ist die Frage. Ich habe bis jetzt nur ein Bild von einem Freundschaftsspiel Herbst 1969 in Mannheim gefunden als wir ein Freunschaftspiel gegen MERC gespielt haben. Das war übrigens das erste Spiel als EHC Stuttgart…

Aha, das dürfte das alte noch offene Stadion gewesen sein, das ich aber nur als geschlossen kenne…
Wie bist du damals zum Stuttgarter Eishockey gekommen ?
Ich bin kurze Zeit nach meiner Ankunft im September 1968 in Böblingen auf der Suche nach einer Eishalle gewesen und fand auf der Waldau ein offenes Freiluft-Stadion. Allerdings zu einer Zeit als es noch kein Eis gab, aber ich hörte jemand an der Eisanlage arbeiten. Es war der Eismeister Herr Kauer. Er sprach kein englisch und ich kein Wort deutsch, außer ja und nein (lacht). Ich fragte ihn, ob hier auch Eishockey gespielt wird und irgendwie muss er mich verstanden haben, denn er wollte meine Schlittschuhe sehen und wir gingen zum Kofferraum meines Autos. Mit nur einem Blick meinte er das ich Hockey spielen können muss. Also nahm er mich kurzerhand mit ins Büro, rief den damaligen Präsidenten des SERC Stuttgart Herrn Haug an und 2 Wochen später nahm ich an der Tryouts teil.

Und wie ging es dann weiter ?
Nach 3 Wochen Training als auch die etatmäßigen Spieler anwesend waren, lernte ich Ebi Spreigl kennen. Ich werde nie vergessen als wir beim Warmlaufen unter Trainer Werner Groß waren und Ebi mich mit dem Schläger auf den Hintern geklopft hat und sagte „Move your Fucking Ass, Yank.“
Von dieser Zeitpunkt an waren wir beste Freunde und er mein Dolmetscher.(lacht)
Zwei Wochen später zum offiziellen Trainingsstart, als auch Fritz Schindelarz dabei war, begannen wir in Blöcken zu spielen. Fritz als left wing, Ebi als center, and ich als right wing. Nach dem Training, als wir noch so beim skaten waren, kam Ebi zu mir und sagte:“ He, nicht so schnell! Der Coach will das du gegen Fritz noch einen Rennen läufst, wer schneller ist…“. Also stellten wir uns an der Torlinie auf, rannten zur anderen Torlinie und berührten die Bande kurz mit dem Schläger und stürmten zurück. Ich habe mit 1 Meter Vorsprung gewonnen und war am Ende. Doch Coach Werner Groß wollte das wir nochmal antreten, denn er konnte nicht glauben das ich schneller als Fritz war. Doch diesmal gewann Fritz mit einem halben Meter Vorsprung. Da wir natürlich ein Unentschieden nicht stehen lassen wollten, kam es zu einem Entscheidungslauf, den ich mit ca. 30 cm Vorsprung für mich entscheiden konnte. Plötzlich kamen alle Spieler, die dem Ereignis beiwohnten auf die Eisfläche gestürmt (Karl-Heinz Rasp, Felix Rustige, Ebi, Wolfgang Paraschka, the Dvorachek, Sylvano, Seitenwind-Linkenheil usw.) crowded around us in a circle and we all put our arms around one another.  I asked Ebi if I made the team.  He said, „What do you think?“ It was at that time that I officially became a member of the Stuttgart Eishockey family.

Doug Whitney und Venzi Niesner nach dem Benefizspiel 2014

Doug Whitney und Venzi Niesner nach dem Benefizspiel 2014

Und der erste Ausländer im Stuttgarter Trikot.
Kommen wir zu den Spielen. Welche sind dir heute noch so in Erinnerung und wieviel Zuschauer waren anwesend?
Wir als zunächst noch SERC Stuttgart spielten eine erfolgreiche Saison und hatten im Schnitt 300-500 Zuschauer pro Spiel. Ich habe nie einen Spielbericht gesehen und kann daher nicht sagen wieviele Punkte wir eingefahren haben über die Saison, aber wir als Einheit haben sehr gut harmoniert. Ebi Spreigl war ein klasse Spielmacher , genauso wie Fritz Schindelarz.
Ich kann mich noch gut an ein spezielles Spiel gegen Göppingen erinnern. Ebi schob den Puck zu mir nach dem Face-Off und ich, ab durch die neutrale Zone. I shot the puck about 4 meters wide of the net from just outside the blue line. Ebi raced around their right defender, picked up the puck, and then passed it to me in the slot and…backhand shot…TOOOR. „Biscuit in the basket“ as we say. Die Fans jubelten und nachdem wir nach dem Torjubel wieder in unsere Hälfte zurückfuhren sagte Ebi:“ Das war einfach, lass es uns nochmal machen!“ Und nach genau demselben Schema fiel das nächste Tor innerhalb ca. 10 Sekunden nach dem ersten Treffer.  Auf Englisch sagen wir, I left the goalie’s jockstrap (Tiefschutz) hanging on the crossbar.(lacht)

Das hat ja dann bestens harmoniert. Sportlich also alles im grünen Bereich.
Zu welcher Zeit wurde aus dem SERC dann der EHC Stuttgart und warum ?
Ja, das war dann die darauffolgende Saison. Es gab offenbar „Meinungsverschiedenheiten“ im Vorstand und man hat sich dann vom SERC abgespaltet. Infolge dessen wurde dann ein neuer Verein gegründet, der EHC Stuttgart. Wir wurden übrigens auf Anhieb Landesmeister von Baden-Württemberg. Ich habe heute noch meinen „Geldbeutel“ den jeder Spieler zur Meisterschaft erhalten hat !
Ich werde auch den kleinen Mann im braunen Mantel und dunklem Hut nie vergessen, der mir, wenn ich gut gespielt hatte, immer einen gefalteten 100 DM-Schein mit einem Händedruck „übergab“. Das war dann mein Biergeld für die Woche über. Zu dieser Zeit kostete ein Bierkasten Lammbräu (Sindelfingen) 11.80 DM und Schnitzel mit Pommes um die 8 Mark (2 US$). Schöne Erinnerungen habe ich auch von Turnieren in Wil (Schweiz) oder auch Freundschaftsspiele und Vorbereitungspiele, insbesondere gegen kanadische Mannschaften, die uns meistens abgeschossen haben wie zum Beispiel gegen Lahr 4 Wings Flyers in Stuttgart (11:1 verloren).
Von Erinnerungen, meine beste Freundschaftspiel war übrigens ein Jahr später als EHC Stuttgart ebenfalls gegen die Kanadier in Solingen oder Lahr. Vor 3.500 bis 4.000 Zuschauern gelang mir ein Hattrick und ich war sehr zufrieden. Niemand hat gedacht das wir haben eine Möglichkeit zu gewinnen. Aber wir haben die Kanadier mit 5:3 geschlagen ! Vor einem Jahr sah das mit der 11:1-Niederlage noch ganz anders aus. At that time, the Canadians discovered I was an Ami, they would stand in unison, banging their sticks against the boards yelling, „Hit the Fucking Yank!“ (lacht laut…)
Eine Frau mit ihren beiden Söhnen kam nach dem Spiel zu mir und fragte ob sie meinen Schläger mit meinem Autogramm haben könne. Zuerst versuchte sie es mit deutsch, dann sagte ich zur ihr sie könne englisch mit mir reden. Sie fragte dann ob ich ein Kanadier bin, doch ich sagte das ich ein US-Amerikaner sei. Da war sie sehr überrascht und meinte ich spiele aber wie ein Kanadier. For us, a great compliment.

…klasse. Bitte mehr davon, Doug …
Tja, da war noch ein Spiel gegen Ravensburg…

Oh ja, gegen Ravensburg haben wir auch in der Folgezeit so manche Schlacht geschlagen, im wahrsten Sinne des Wortes
Es war ein denkwürdiges Freunschaftsspiel, ich weiß aber nicht mehr ob als SERC oder EHC.
In that game, I met Klaus Weber (Anm. Ravensburger Stürmer) in the corner in his end. He gave me an elbow and we started a little Kampf. I was on top of Klaus and getting ready to hit him with a right on the chin when Ebi came up from behind me, held my arm, and said, „Don’t hit him, he is a friend of mine.“  I looked up at Ebi, and in that moment Klaus punched me in the face from his bottom position. Then the fight really started. The referees separated us, we went to the Strafbank for 5 minutes, and continued the game.  Ravensberg won that game by a goal or two.
After that game, Klaus came into our Kabine carrying a case of beer. He had a cigarette in his mouth and asked, „Where is that big, fucking Yank?“. He came up to me, placed the case of beer at my feet as I was getting undressed, shook my hand, and introduced himself.  From that time we became best of friends.  That is the best part about hockey. You can be enemies on the ice, but after the game is over, good friends.
Klaus was 17 years old, Ebi 18, and I was 24 then.

Ich glaube, das sich das so bis heute gehalten hat, nach dem Spiel gibt man sich die Hand…
Was hat dir in deiner Stuttgarter Zeit besonders gut gefallen ?
Was mir in Stuttgart und in Deutschland gefallen hat ! ALLES !
Die Kameradschaft innerhalb des Teams war super und ich habe es sehr genossen, und auch die vielen Freundschaften, die ich hier insgesamt geschlossen habe.
I enjoyed going to the Liederhalle in Stuttgart for Fasching (many good stories), The Weihnachts Partys at TEC Waldau, and all of Baden-Württemberg und Bayern.  Since my 20 months being stationed in Böblingen, I have come back to visit often. I feel like Stuttgart is my second home.
Tears come to my eyes when in think about all of the good times I had in your land.  It was simply the „Time of my Life“.
As I have told many people, my skates have been my Passport to freedom.  When I first came to Germany, I brought my Skates, Gloves, and Tiefschutz.  As they say, the rest is history.

Wann und warum bist dann zurück in die Staaten ?
On June 2, 1970, I took what was called a European Out. That meant I could leave the Army, and stay in Europe for 6 months.  I travelled and stayed until October 22, 1970.  I would liked to have stayed and played for the 1970-71 season, but had to begin a new life. Hockey was not paying much then….

Vielen Dank Doug für das interessante Gespräch. Es war mir eine besondere Ehre und ich möchte mich herzlich bedanken für die Einblicke. Bleib gesund, damit wir eines Tages wieder mal zusammensitzen können.
I thank you for putting the Waldau Old Boyz Webpage together. We will miss Hemingway (Anm. Werner Happach) and his contributions in keeping the old gang together. When I am again in Stuttgart, we will go to the Frozen Fritz, and have a few shots of Jägermeister and drink a few beers- ON ME !
Bis bald, Doug Whitney  (Erste Ausländer beim EHC Stuttgart)

Als Doug mir nebenbei erzählte das er noch die alten Trikots hat, bat ich ihn sie uns zu zeigen:

Doug Whitney
Vielen Dank Doug und Grüße nach Kalifornien !